Montag, 2. März 2009

3. März, Tag 22: Eiszeit

Also, diese Sandflies können einem wirklich ganz schön auf den Keks gehen. Klar, es zwickt, wenn sie beißen. Das wäre alleine ja nicht so tragisch. Aber nach einem halben Tag bilden sich an den Bißstellen etwa 6 Millimeter große, runde Knubbel, die wirklich höllisch jucken. Und von denen hat man dann scheinbar ein paar Tage was, den meine stehen heute noch in voller Blüte und haben mir etwas den Schlaf geraubt. Davon mal abgesehen hatte ich einen wunderschönen Morgen, saukalt draußen (und drinnen), aber ein herrlicher, blauer Himmel. Und siehe da, ich war von Bergen umgeben - um genau zu sein von den neuseeländischen Südalpen - davon war gestern noch nichts zu sehen.

Etwas getrübt wurde meine gute Stimmung, als beim Biss ins Nutellabrot der noch vorhandene Teil eines meiner Backenzähne den auftretenden Scherkräften nicht mehr standhalten konnte und sich prompt inmitten von zerkautem Backwerk und Haselnußcreme versteckte. Nun ja, Shit happens. Ich denke, die Reparatur kann noch zwei Wochen warten.

Man sollte ja eigentlich denken, ich würde hier unten Urlaub machen, um der Kälte und dem Schnee in Deutschland zu entkommen. Zumindest heute war dem aber nicht so, denn es galt, den Franz-Josef-Gletscher zu besteigen, und der besteht ja bekanntlich aus Eis. Um kurz nach acht wurde ich von einem Fahrer der Franz Josef Glacier Guides abgeholt und dann vor Ort mit der notwendigen Ausrüstung versehen. Halbwegs wasserdichtes Schuhwerk, Steigeisen und Regenjacke. Die Schuhe fielen riesig aus und leider war auch noch Wasser vom Vortag drin. Also nochmal gewechselt, die neuen passten besser, waren aber auch nicht trocken. Dann ging's los Richtung Gletscher.

Ist übrigens wirklich witzig, wenn man da im Tal steht, durch das sich der Gletscher noch vor ein paar hundert Jahren zog. Zum einen, da praktisch direkt neben dem Eis der Regenwald anfängt, zum anderen, da der Gletscher zwar nicht so aussieht, als wäre er weit weg, man dann aber doch knappe 45 Minuten unterwegs ist. Dass sich der Gletscher bei den hier vorherrschenden Temperaturen überhaupt hält, liegt einzig daran, dass Unmengen von Eis von oben nachgeschoben werden. Pro Tag fließt der Gletscher um etwa einen halben Meter. Im Bereich der Nährzone des Gletschers fallen im Jahr durchschnittlich 45 Meter (!) Niederschlag, und diese größtenteils als Schnee. Zum Vergleich: London bringt es gerade mal auf einen dreiviertel Meter. Im Übrigen wächst der Gletscher seit ein paar Jahren wieder, trotz, oder besser wegen, der Klimaerwärmung. Diese sorgt nämlich dafür, dass die Luft über der Tasmanischen See noch mehr Feuchtigkeit aufnehmen kann und somit die Niederschlagsmenge weiter steigt.

So, genug der Theorie! Es ging auf dem Weg zum Gletscher unter anderem durch einige Flüsse. Spätestens hier hätte ich dann sowieso Wasser in den Schuhen gehabt. Etwa gegen halb zehn waren wir an der Gletscherfront, legten die Steigeisen an und teilten uns in kleinere Gruppen zu je elf Leuten auf. Meine Gruppe bestand etwa zur Hälfte aus Däninnen. Jede Gruppe bekam ihren eigenen Guide, unserer hieß Tim. Die Guide waren nun aber nicht nur damit beschäftigt, ihre jeweilige Gruppe durchs Eis zu leiten, sondern auch dafür, die Routen instand zu halten. Wie bereits erwähnt, fließt der Gletscher einen halben Meter pro Tag. Deshalb und gerade auch wegen des häufigen Regens sind beispielsweise Stufen, die man am Vortag ins Eis geschlagen hat, oft kaum noch vorhanden. So gesehen gibt es auch keine wirklich festen Routen, denn alles ist hier im ständigen Wandel.

So ging es dann langsam aber sicher aufwärts. Alle paar Minuten gab es eine kurze Pause, in der Tim uns mit seiner Spitzhacke den Weg bereitete. Von der Organisation her war die Tour wirklich hervorragend. Kritische Stellen waren beispielsweise mit zusätzlichen Seilen gesichert. Die Guides standen untereinander in ständigem Funkkontakt, um sich über die Bedingungen in verschiedenen Bereichen des Gletschers auszutauschen.

Auf dem Weg nach oben ging es unter anderem durch eine Spalte, in der man schon gut Platzangst bekommen konnte. Mein Fotorucksack war an dieser Stelle auch kurz der Meinung, er müßte da jetzt nicht durchpassen. Spätestens an dieser Stelle wußten wir dann auch, warum wir an einem Tag wie diesem die Regenjacken mitnehmen und schnell trocknende Hosen anziehen sollten. Hier fließt überall Wasser über das Gletschereis, teilweise bilden sich richtige Bäche. Und genau in dieser Gletscherspalte gab es den einen oder anderen kleinen Wasserfall.

Ansonsten sahen wir jede Menge herrlich blaues Eis. Gegen Mittag machten wir dann eine längere Pause, um eine Kleinigkeit zu essen. Anschließend ging es noch ein paar Meter weiter nach oben, um 14 Uhr hatten wir eine Höhe von 600 Metern erreicht und begannen mit dem Abstieg. Dieser war im Übrigen recht angenehm und vergleichsweise knieschonend. Wir mußten noch ein Zwangspause einlegen, da wir auf die Gruppe vor uns warten mußten. Diese hatte sich an einer Route versucht, die gestern noch vorhanden, heute aber nicht mehr passierbar war. Um 16 Uhr, also nach etwa sechseinhalb Stunden im Eis, hatten wir es dann geschafft. Jetzt mußten wir nur noch die 2,5 Kilometer über allerlei Geröll und durch den Regenwald zurücklaufen.

Nach insgesamt neun Stunden war der überaus gelungene Ausflug auf den Franz-Josef-Gletscher dann (leider) vorbei. Kann ich nur empfehlen, hat wirklich sehr viel Spaß gemacht. Unser Guide war wirklich super, hatte stets alles im Griff und immer eine nette Geschichte auf Lager. Ich fühlte mich eigentlich noch relativ fit, brauchte allerdings schon seit etwa 10 Uhr dringend ein Klo, und war so doch ganz froh, als ich wieder in meinem Zimmer war.

Während die Bilder des Tages kopiert und konvertiert wurden, konnte ich den knurrenden Magen mit einer Pizza (von Guzzi's, einem kleinen Pizzabäcker in Franz-Josef) zufriedenstellen. Diese war übrigens mit Mangold belegt. Ich wollte eigentlich Spinat, den gab es aber nicht. Mir wurde jedoch versichert, dass es sich bei Silverbeet um sowas ähnliches handelt. Hätten sie gleich Mangold drangeschrieben, hätte ich sicher nicht lange überlegen und Silverbeet nachgooglen müssen.

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